Smart Retail versus New Retail in China - Neue Konzepte

Wir zeigen neue Einkaufserlebnisse und Konzepte in China und was wir davon halten

Das Wichtigste geschieht hinter den Kulissen, doch eins nach dem anderen.

Ich habe die Ladenkonzepte 7Fresh (von JD.com) in Bejing und Hema (von Alibaba) in Shanghai besucht und erklären lassen. Die beiden Internet-Giganten liefern sich damit einen Kampf um die Neuerfindung des Lebensmitteleinkaufs auch in der realen Welt. Oder wie es hier immer wieder heisst O2O: Online to Offline. Und natürlich hätte auch Tencent seine Variante davon, sie heisst Le Marche und ist ein Joint Venture mit Carrefour. Die Präsentation von Tencent fasst das Konzept wie folgt zusammen:

Grafik
Quelle: Tencent.

Mir geht es in der Folge nicht darum die Geschäfte zu vergleichen, aber zu erklären, wie das neue Einkaufserlebnis in China definiert wird. Und deshalb auch noch ein paar Worte zur Monsterfiliale von Starbucks, der Reserve Roastery Shanghai. Alle Ladenkonzepte sind erstaunlich offline, doch aufgepasst auf die Details, die ich in der Folge herausschälen will:

  • es wird auch gekocht und gegessen
  • es wird auch geliefert
  • Daten, Daten, Daten

In vielen Aspekten sind die zwei Konzepte identisch, so auch bei der Aussage über die Platzierung der Geschäfte: Im Umkreis von 3 Km sollten minimal 1 Mio. Menschen leben, damit sich eine Filiale lohnt. Der Umkreis hat aber auch noch eine andere Bedeutung, dorthin wird nämlich auch alles geliefert und zwar innert 30 Minuten. Unabhängig davon, ob ich gefrorene oder rohe Waren (ready to cook, ready to eat, ready to heat) bestelle oder auch fertig gekochte Menüs. Von Bestellung in der App bis Lieferung innert 30 Minuten inkl. allfälliger Zubereitung! Nach Aussage von Alibaba gelingt dies in über 98% der Fälle und neue Wohneinheiten würden auch in Abhängigkeit solcher Läden gebaut. Doch greife ich wiedermal vor.

Obst- und GemĂĽseangebot im Supermarkt
Ansicht eines 7Fresh in Bejing.

Es wird auch gekocht und gegessen

Der Supermarkt ist gleichzeitig auch eine Küche und ein Ort zum Essen. Die Möglichkeit der Zubereitung ist rein praktischer Natur, die Möglichkeit zu verweilen, zollt der Wichtigkeit des Zusammenseins in China. Letzterer Aspekt taucht in allen Präsentationen aller Plattformen immer wieder auf: Business in China sei immer sozial. Die beste Werbung (auch online) sein was wir Influencer und sie KOL nennen: Key Opinion Leader.

Möchte ich meine beharrte Krabbe gekocht haben, so nehme ich diese roh aus der Auslage, bringe diese an den Kochschalter und scanne einen Barcode, der es ermöglicht, dass mich die App des Anbieters benachrichtigt, sobald ich diese abholen und am Self-Checkout bezahlen kann. Dass alles in einer App geschieht, habe ich in meinem ersten Post schon erwähnt. Interessantes Detail hier ist, dass im Fall von Android beide Läden über QR-Code einen APK-Download anbieten. Dies, da der Google Play Store in China blockiert ist. Bei iOS funktioniert der App-Store ganz normal.

Fastfood Restaurant in China mit innovativem Konzept
Kochstation in einem Hema-Store.

Zudem gibt es Stände wie in einem „Food Court“ mit angeschriebenen Menüs. Diese werden frisch zubereitet und ich kann das Ergebnis entweder mitnehmen oder gleich im Ladengeschäft verspeisen. Sowohl Zubereitung wie auch Essen im Geschäft, als Event predigt ja auch der Vorzeigeitaliener Oscar Farinetti mit seiner Eataly-Kette.

Es wird auch geliefert

Die Lieferung innert 30 Minuten habe ich schon erwähnt. Wird eine Filiale neu eröffnet, so erkunden die Menschen die neue Filiale über offline Einkauf und über Zeit pendele sich ein stabiles Verhältnis von 60% Online und 40% Offline ein. Vision von Alibaba ist, dass die Leute zu Hause keinen Kühlschrank mehr benötigen und ihren gesamten Bedarf à la Minute Online bestellen.

Die Konfektionierung der online Bestellungen erfolgt über Menschen, sogenannten Picker. Dem Laden ist ein Lagerhaus angegliedert, in welchem die häufigen online Artikel gelagert sind. Es lasse sich dort besser rumrennen. B- und C-Artikel werden von den Pickern im Ladengeschäft aus den Regalen geholt. Dies mit dem Effekt, dass etwa jeder vierte Mensch im Laden ein Picker ist. Ausgestattet mit einem spezialisierten Gerät und einem Körbchen in der Farbe der Lebensmittelkategorie. Einmal gefüllt, werden diese Körbchen einem Förderband übergeben, welches diese zur Integration in die Bestellung in das Warenhaus befördert werden.

Chinesischer Mitarbeiter in Textilfabrik

Daten, Daten, Daten

Bei der Erklärung der Konzepte ist die Kernaussage, dass die Logistik den Unterschied macht. Optimierung des Angebotes insbesondere aber auch der Wegoptimierung beim Picking und der Lieferung. Details dazu kenne ich nicht, doch ist es auffällig, wie viele Daten die Geschäfte aggregieren, da alles in derselben App geschieht. Und da auch die Zahlung elektronisch ist, ist das Kundenprofil sehr vollständig. So spricht Alibaba über alle Plattformen von über 600 Mio. aggregierten Kundenprofilen. An anderer Stelle sprach Tencent drüber, jedes Kundenprofil mit 600 Attributen beschreiben zu können.

Sichtbar ist die Beherrschung der Daten im kleinen. So sind alle Preisschilder digital und holen sich ihre aktuelle Information über WiFi. Oder bei der Online-Bestellung kennt die App den Bestand im Ladengeschäft in Echtzeit. Auch in der App kann ich für sehr viele Produkte mittels Barcode Zusatzinformationen zu den Produkten abrufen. Diese werden je nachdem direkt vom Hersteller zu Verfügung gestellt (Video mit Beispiel einer Lindt-Schokolade). Informationen zu Allergenen gibt es nicht, da dies in China „nicht so ein Thema sei“.

Kleincomputer in China

Eine Spielform der Beherrschung von Daten ist die Vermarktung von gewissen Produkten bei Hema als „besonders frisch“: Die Verpackung ändert sich täglich und zeigt in grossen Lettern den Gültigkeitstag, hier am Beispiel von Gemüse. Bei der Frage nach der Verwertung am Folgetag sagte der Mitarbeiter spontan „destroy“, doch korrigierte er gleich, das die Produkte danach in die Küchen resp. Bäckerei gehen. Food Waste scheint hier noch kein Thema zu sein und auch beim Essen gehört es zum guten Ton, dass es immer mehr als genug aufgetischt wird.

Ziemlich offline

Zusammenfassend fühlten sich die Zukunftsfilialen der Internet-Giganten JD.com und Alibaba ziemlich traditionell an, aber deutlich konservativer als Amazon Fresh. Die chinesischen Apps können nicht viel mehr als bestellen, benachrichtigen und informieren. Die Bezahlung selbst erfolgt an Self-Checkout (häufig mit Bezahlung über Gesichtserkennung).

Digitaler Bezahlvorgang an der Kasse in China
Die Innovation ist im Bereich der Sortimentsgestaltung, der Logistik und des Erlebnisses im Laden. Insbesondere bei der Vermischung von einkaufen, kochen und essen.

Starbucks Reserve Roastery in Shanghai

In dieselbe Kerbe „Erlebnis“ und „Social“ schlägt mit 2700 m^2 die grösste Starbucks Filiale der Welt. Hier geht es auch um Kaffee (und Tee), vor allem wird aber der Kaffee geröstet und abgepackt sowie das backen von Brot im Geschäft inszeniert.

Eine Bäckerei von innen

Alles ziemlich gewöhnungsbedürftig. Eindrücklich ist aber das Commitment der Mitarbeiter. Diese brauchen mindestens 4 Jahre Erfahrung in einem anderen Starbucks und sehen sich als Schauspieler: „We are actors and this is our stage“. Was den Job hier speziell macht, können sie jedenfalls fehlerfrei aufsagen (und dies sicher auch Mitten in der Nacht geweckt). Dazu gehört übrigens auch „A passion to serve customers“.

Das Einkaufen der Zukunft geschieht auf einer Bühne und gleicht wieder mehr einem geschwätzigen Bazar als kontemplativer Stille, untermalt mit bedeutungsloser Musik. Und auf Wunsch wird alles auch in 30 Minuten geliefert ;). Am allerbesten fand ich aber die frischen Früchte auf dem „Bullet Train“ von Bejing nach Shanghai.

Verpflegungswagen in chinesischem Railway